Mit seinen außergewöhnlichen Extremwetterereignissen zeigt uns das Jahr 2023 ein für alle Mal auf, die Energietransformation endlich voranzutreiben. Die Sorge nimmt berechtigterweise zu, dass das Transformationstempo im Energiebereich zu langsam ist. Daher wurde im letzten Jahr beschlossen, für den vollständigen Strom in Deutschland erneuerbare Energiequellen aufzubauen. Die Photovoltaik-Strategie des Bundes inkl. des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht bis 2030 eine Leistung von 215 Gigawatt allein aus Sonnenenergie vor. Momentan kommen zu den 60 GW im Jahr 2022 jährlich rund sieben Gigawatt aus neuen PV-Anlagen hinzu.
Um die genannten Ziele jedoch zu erreichen, müsste der Zuwachs um das Dreifache auf rund 22 Gigawatt steigen. Zum Vergleich: Das Kernkraftwerk Isar 2 verfügte zuletzt über eine Nennleistung von 1,49 Gigawatt und war damit eines der leistungsstärksten der Welt. Die Bedarfslücke ist offensichtlich. Ein Gigawatt entspricht knapp der Leistung eines durchschnittlichen Kernkraftwerks. Es müssten als gut 22 Kernkraftwerke dieser Art jährlich durch PV-Energie ersetzt werden.
Mit den großen Dachflächen von Logistik- und Industriegebäuden steht ein enormes Potenzial zur Verfügung. Ab einer Fläche von rund 5.000 m² fängt eine kommerzielle Ausnutzung der Dachflächen für Immobilienunternehmen an, wirtschaftlich tragfähig zu sein. Von dieser Größe ausgehend, steht in Deutschland ein kommerziell nutzbares Dachflächenpotenzial von 362,8 Mio. m² zur Verfügung.
Das mit Abstand größte Potenzial nach obiger Lesart besteht im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen. Hier stehen rund 82 Mio. m² Dachfläche zur Verfügung. Nahezu gleichauf liegen Bayern und Baden-Württemberg mit gut 59 bzw. knapp 52 Mio. m². In Niedersachsen finden sich immerhin noch knapp 42 Mio. m² Dachflächen. Die weiteren Bundesländer fallen dahinter zurück.
Wenn es gelänge, all diese Dachflächen mit PV-Modulen zu bestücken, so könnten über 36 Gigawattwatt potenzielle PV-Leistung auf diesen Dächern entstehen. Dies entspräche einer Leistung von über 36 durchschnittlichen Kernkraftwerken. Auch mit diesem Potenzial werden die geforderten 215 GW nur zu knapp 17 % gedeckt, zumal in den 60 GW Sockelbestand auch Logistikhallen enthalten sein dürften, die im Gesamtpotenzial aufgeführt sind. Dennoch wäre dies ein enormer Schritt in die richtige Richtung.
Bislang herrscht auf diesen Dächern allerdings vorwiegend gähnende Leere. Eine Auswertung von sieben größeren Logistikagglomerationen ergab, dass weniger als 10 % der Dachflächen mit PV-Modulen bestückt ist. Die Bandbreite reicht von gut 5 % in Erfurt bis hin zu 17 % im GVZ Großbeeren. Letzteres ist eher eine besser bestückte Logistiklage und eine Ausnahme. Ursächlich sind diverse neuere und größere Hallen, die tendenziell häufiger als Bestandsgebäude über PV-Module verfügen. Allerdings sind wir noch weit davon entfernt, dass Neubauprojekte quasi standardmäßig mit PV-Modulen bestückt werden. Dabei kommen Jahr für Jahr ca. 5-6 Mio. m² neue Hallen- und somit auch Dachfläche hinzu. Dies ist verschenktes Solarpotenzial.
Ein ganzes Bündel an Ursachen ist dafür verantwortlich, dass der Ausbau nicht schneller vorwärtskommt, darunter:
Einer der Hauptursachen, warum nicht mehr großvolumige Photovoltaikanlagen auf gewerblichen Dachflächen montiert werden, ist schlicht die schlechte Relation zwischen den Erträgen aus der Vermietung von Dächern für Photovoltaikanlagen und den Mieteinnahmen der Halle selbst. Dies auch vor dem Hintergrund der enormen Komplexität, die ein PV-Engagement mit sich bringt. Der Betrieb einer eigenen Anlage kann für den Eigentümer allerdings durchaus interessant sein, vor allem wenn die Kosten der Anlage hoch auslaufend finanziert werden können. Planung, Finanzierung und Installation von PV-Modulen bleiben dennoch hochkomplex und viele Eigentümer von Hallen scheuen daher häufig ein Engagement. Dies trifft noch einmal mehr zu, wenn der erwirtschaftete Strom nicht selbst verbraucht wird, sondern eingespeist werden muss, da hier dann zunächst die entsprechenden Tarife bei der Bundesnetzagentur ersteigert oder entsprechende Power Purchase Agreements (PPA) geschlossen werden müssen.
Nicht immer ist es möglich oder gewollt, die auf dem Dach produzierte Energie durch den Mieter zu verbrauchen. Bei den Größenordnungen von Logistikhallen ist dies eher die Regel und der Strom muss in das Netz der Energieversorger eingespeist werden. Ab einer Anlagengröße von 1 MWp (ca. 10.000 m² Dachfläche) muss der Einspeisetarif nach aktueller Rechtslage ersteigert werden. Die Versteigerungen finden aber nur alle 3-4 Monate statt. Der ersteigerte Tarif ist dann die Untergrenze der Vergütung. Je größer die Anlage, desto besser gestaltet sich die spätere Wirtschaftlichkeit. Allerdings ist es häufig nicht klar, ob die produzierte Energie auch eingespeist werden kann. In Teilen ist das Stromnetz des Netzbetreibers ausgelastet und nicht klar, ob und wann überhaupt eingespeist werden kann. Die Informationslage und Kommunikation gestaltet sich hier mitunter auch schwierig, da mit den über 860 Netzbetreibern umfassende Abstimmungen erfolgen und administrative Hürden überwunden werden müssen.
Trotz aller Verbesserungen der letzten Jahre gestaltet sich die Finanzierung kommerzieller PV-Anlagen durch Banken teilweise schwierig. Banken werden solche Anlagen i. d. R. nur finanzieren, wenn eine Dienstbarkeit für das Dach ins Grundbuch eingetragen werden kann. Das Problem ist hier, dass meist schon Dienstbarkeiten für das eigentliche Gebäude existieren. Die Hierarchie dieser Dienstbarkeiten muss daher mit der ursprünglichen Bank verhandelt werden. Eine Finanzierung hängt dann maßgeblich davon ab, ob ein wirtschaftlich nachhaltiger Ertrag generiert werden kann. Diese ist aber häufig erst einschätzbar, wenn eine Netzverträglichkeitsprüfung (siehe Punkt 2) erfolgreich durchgeführt und der Tarif für die Einspeisung ins Stromnetz ersteigert wurde. Je größer die Anlage, desto größer die Ertragskraft und damit die Attraktivität für die finanzierende Bank. Denn der ersteigerte Tarif gilt als Mindestvergütung und damit Planungssicherheit. Der erzeugte Strom kann dann von Stromhändlern nach Möglichkeit oberhalb dieses Tarifs an der Strombörse erworben und gehandelt werden. Auch Stromhändler favorisieren möglichst große Anlagen. Die Anlagengröße, die Ertragskraft und die Finanzierbarkeit hängen aber wiederum von der Einspeisemöglichkeit ab und bilden somit fast einen Zirkelbezug, der gut austariert werden muss.
Eigentümer einer Halle sorgen sich häufig um Beschädigungen der Dachhaut bei der Montage von PV-Modulen, z. B. bezüglich der Dichtigkeit. Dieser Grund nimmt an Bedeutung zwar tendenziell ab, zumal professionelle Dienstleister hier umfassende Erfahrungen aufbauen konnten. Allerdings führen statische Gründe vor allem bei Bestandsgebäuden dazu, dass ein größerer Anteil der Hallen aus der potenziellen Nutzung herausfällt. Entweder reicht die Kapazität schlicht nicht aus oder es existieren keine geeigneten Datengrundlagen, um die statische Tragfähigkeit einschätzen zu können. Der Aufwand für die nachträgliche Anfertigung dieser Dokumente bzw. die Prüfung wird von einigen Eigentümern daher gescheut oder nur dann getätigt, sofern dies ohnehin notwendig ist, z. B. bei einer anstehenden Transaktion. Sofern die statische Eignungsprüfung positiv ausfällt und ein Generalunternehmer, der eine Anlage montieren kann, überhaupt gefunden wurde, kann der Bau in Angriff genommen werden. Die Komponentenverfügbarkeit fällt aktuell zwar generell wieder besser aus, aber es fehlen noch immer häufig Bauelemente, die den Bau ausbremsen. Derzeit sind es eher die Aufbauten, Trafos und Wechselrichter und die damit verbundene Abstimmung mit den Betreibern anstatt der eigentlichen PV-Module. Bei Anlagen zum Eigenverbrauch sind wiederum Zähler- und Messkonzepte zu erstellen, die den Weg des grün erzeugten Stroms nachvollziehbar machen und dokumentieren. Ist die Anlage erst mal montiert, kann die Einspeisung allerdings noch nicht starten, denn es muss ein Probebetrieb durchgeführt und die konforme Errichtung der Anlage durch einen Zertifizierer bestätigt werden. Die Wartezeit für diesen beträgt aktuell mehrere Monate.
Die Mieter einer Halle müssen der PV-Ausnutzung offen gegenüberstehen. Nicht nur, weil im Zuge der Installation die Mieter den Zugang zum Dach immer ermöglichen müssen. Auch müssen aus den Mietverträgen häufig Flächen herausgenommen werden (Carve-outs), z. B. für Aufbauten oder Infrastrukturen. Gerade bei Tripple-Net-Mietverträgen, bei dem der Mieter für das Dach verantwortlich ist, ist dies eine komplexe Hürde.
Einige Eigentümer geben ihre Dachflächen schlicht nicht zur Nutzung von PV-Strom frei. Ganz unterschiedliche Gründe kommen dafür in Frage, z. B. weil die Dächer als möglicher zukünftiger Drohnenlandeplatz oder anderweitig genutzt werden soll. Oder es bestehen bereits Aufbauten wie eine Attika, die eine Nutzung durch Schatten verhindern oder schmälern.
Es ist notwendig an einem Strang zu ziehen, um die Solarstromausbeute zu maximieren.
Zur Durchführung der Energiewende und der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft muss die Produktion von Solarstrom auf den Dächern massiv angekurbelt werden. Bei Neubauten muss das Ziel lauten, die PV-Nutzung von Anfang an in der Projektierung eines Gebäudes vorzusehen. Entsprechende Anschlüsse und Infrastrukturen sowie die notwendigen statischen Kapazitäten müssen eingeplant werden.
Bei Bestandsobjekten fallen durch die skizzierten Hürden vom theoretisch enormen PV-Potenzial von 362,8 Mio. m² rund 40 – 50 % der Dachflächen aus der Masse der kommerziell nutzbaren Hallen heraus. Die Hindernisse müssen daher ausgeräumt werden, um mehr Bestandsobjekte zu aktivieren. Die ausnutzbaren Dachflächen sollten sich daher eher in Richtung 65 %, optimalerweise eher 80 %, bewegen. Dies kann gelingen, indem für den Investor sichergestellt wird, dass der erzeugte bzw. potenziell erzeugbare Strom für eine möglichst hohe Mindestvergütung komplett eingespeist und damit kommerzialisiert werden kann.
Zwar sind die Netzbetreiber verpflichtet, in einem bestimmten Zeitraum den Strom komplett abzunehmen. Aktuell kommt es in der Praxis vor, dass eine Abnahme ohne nähere Angabe über Gründe, Dauer bis zur Möglichkeit der Einspeisung etc. verweigert wird, da ein Netzanschlusspunkt (NAP) erst für die Zukunft in Aussicht gestellt wird. Eine Planbarkeit ist dann nicht gegeben. Oder es wird von Betreibern ein NAP zugewiesen, der teilweise mehrere Kilometer weit weg zur Halle liegt und der auf eigene Kosten errichtet werden müsste. Hierfür wären Genehmigungen einzuholen, Erdbauarbeiten durchzuführen und Kabelwege zu legen. Eine Wirtschaftlichkeit ist dann nicht gegeben. Die Probleme lassen sich mit dem schlecht ausgebauten Verteilnetz zusammenfassen. Dieses müsste zügig und substanziell ausgebaut und ertüchtigt werden, um eine höhere sowie wirtschaftlich planbare Einspeisung zu ermöglichen.
Um hier wirklich Fortschritte zu machen, wird einerseits ein „Kümmerer“ bei den Eigentümern und Investoren benötigt, der sich durch die langwierigen und komplexen Einzelschritte durchkämpft. Gleichzeitig wird ein Investor benötigt, der das Kapital bereitstellt. Höhere Strompreise würden dabei helfen, die Ertragsrelation zu optimieren. Dies insbesondere dann, wenn die Komponentenpreise für die hohen Investitionen in Netztrafo, Wechselrichter usw. gleichzeitig sinken würden. Auch höhere ESG-Verpflichtungen für Eigentümer und Nutzer von Hallen würden unterstützen, um mit entsprechendem Druck die Positionen der verschiedenen Parteien im Gefüge aufeinander bewegen zu lassen. Letztendlich ist auch beim Thema Photovoltaik die Bürokratie so überbordend, dass hier umfassend angesetzt werden sollte, z. B. durch Abbau von administrativen Hürden, Abschaffung von Fristen abschaffen oder der Schaffung von Standards.
Gehen wir davon aus, dass es gelingt, 80 % der Dachflächen zu aktivieren, so sprechen wir bei Investitionskosten von 850 EUR pro kW von einem Gesamtinvestment von knapp 25 Mrd. EUR. Diese energiepolitische Zeitenwende ist für den Strukturwandel durchaus vertretbar, für einen Einzelinvestor aber zu viel Risiko. Es erscheint aber als erreichbares Ziel, zumal es deutlich nachhaltiger und wirtschaftlicher investiertes Geld ist als bei Atomkraftwerken, bei denen die Investitionskosten zwischen 7.000 und 12.000 EUR pro kW geschätzt werden. Von den Folgekosten ganz zu schweigen.
An dieser Stelle soll kein Fingerprinting durchgeführt werden. Vielmehr ist dieser Artikel ein Plädoyer dafür, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten müssen, um möglichst viel dieses Potenzials umzusetzen. Das Ziel sollte sein, dass es wirklich bald heißt: „Erst so leer, jetzt solar“. Zeitlichen Aufschub können wir uns nicht mehr leisten.
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