Innerhalb weniger Jahre ist das Thema Verteidigung an die Spitze nationaler Agenden gerückt – mit milliardenschweren Investitionsplänen, die in ganz Europa angekündigt wurden. Ein erheblicher Teil dieser Budgets ist für neue Ausrüstung vorgesehen, womit Verteidigung zu einem zentralen Wachstumstreiber für die europäische Industrieproduktion – und für Industrie- & Logistikimmobilien (I&L) – wird. Angesichts dieser ehrgeizigen, langfristigen Verpflichtungen ist es entscheidend, den Fahrplan zu verstehen, um sich in dieser neuen Ära verteidigungsgetriebener wirtschaftlicher Transformation zurechtzufinden.
Ausrüstung als Hauptprofiteur:Die Beschaffung von Ausrüstung wird voraussichtlich den größten an den steigenden Verteidigungsausgaben ausmachen. Europäische Armeen stocken ihre Munitionsbestände auf, modernisieren schwere Bodentruppen und investieren in aufkommende Technologien wie Drohnen und autonome Systeme. Wie in Abbildung 2 dargestellt, wird der Effekt auf die verarbeitenden Industrien erheblich sein: Der Anteil der Ausrüstungsbeschaffung an den gesamten Verteidigungsausgaben könnte auf über 40 % steigen – und sich damit im Vergleich zur Zeit vor der Invasion verdoppeln.2 |
Verlagerung von Fertigung und Produktion zurück nach Europa – für Europa:
Strategische Initiativen konzentrieren sich derzeit darauf, Fertigungskapazitäten und Know-how zurück nach Europa zu holen. Ziel ist es, die Abhängigkeit von politischen Weichenstellungen und Entscheidungen außerhalb des Kontinents zu verringern. Dieses Anliegen findet sich auch im Bericht The Future of European Competitiveness von Mario Draghi, der im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt wurde.
Im Zeitraum von Mitte 2022 bis Mitte 2023 gingen 63 % aller EU-Verteidigungsaufträge an US-Unternehmen, weitere 15 % an andere Nicht-EU-Anbieter3. Die Europäische Verteidigungsindustrie-Strategie beschreibt nun einen Übergang, mit dem Ziel, bis 2030 mindestens 50 % der Verteidigungsausgaben innerhalb der EU zu tätigen – und 60 % bis 20354.
Um diesen Wandel zu beschleunigen, hat die EU im Mai 2025 einen wegweisenden Verteidigungsinvestitionsfonds in Höhe von 150 Milliarden Euro verabschiedet. Der Fonds zielt darauf ab, gemeinsame Beschaffung zu stärken, die industrielle Produktion hochzufahren und europäische Lieferketten zu festigen – ein klares Signal für eine neue Phase langfristigen, koordinierten Aufbaus europäischer Verteidigungsfähigkeiten5.
Geopolitcal Expert View by Nico Fitzroy of Signum Global Advisors
Eine wachsende Unsicherheit über die Rolle der USA als Sicherheitsgarant bewirkt, dass die Verteidigungsausgaben in Europa in den kommenden Jahren insgesamt weiter steigen werden. Auf Länderebene wird das Ausmaß dieser Veränderungen wahrscheinlich von zwei Faktoren abhängen: dem verfügbaren fiskalischen Spielraum und der geografischen Nähe zu Russland.
Während die Nordischen Länder und Baltischen Staaten sowie Länder wie Deutschland und Polen mindestens einen dieser entscheidenden Faktoren in hohem Maße erfüllen, fehlen Ländern in Westeuropa – etwa Italien, Spanien, Frankreich und Belgien – beide Voraussetzungen. Das bedeutet wahrscheinlich, dass die Verteidigungsausgaben in Mittel- und Osteuropa (CEE) deutlich stärker steigen und länger auf einem höheren Niveau bleiben werden. Dieser Trend könnte sich noch verstärken, sollte der Ukraine-Konflikt beendet werden (auch wenn dies kurzfristig unwahrscheinlich ist, langfristig aber realistischer wird). In diesem Fall würden die Länder Osteuropas ein weiterhin militarisiertes Russland als noch größere Bedrohung wahrnehmen – insbesondere, wenn Russland seine Ressourcen nicht mehr in der Ukraine binden muss. Gleichzeitig hätten westeuropäische Länder weniger Gründe, ihre Ausgaben aufrechtzuerhalten, da sie keine oder weniger Unterstützung für die Ukraine leisten müssten.
Eine zentrale Frage ist, wer von den steigenden Verteidigungsausgaben profitieren dürfte. Das EU-weite SAFE-Programm in Höhe von 150 Mrd. EUR wird voraussichtlich ausschließlich europäischen Herstellern zugutekommen. Dennoch bleibt die Aufrechterhaltung starker Beziehungen zu den USA ein bedeutendes außenpolitisches Ziel vieler CEE-Staaten. Daher ist es wahrscheinlich, dass US-Unternehmen weiterhin von gestiegenen Rüstungsausgaben in Teilen Osteuropas profitieren werden.
Umfragen in Europa zeigen, dass Verteidigungsausgaben bei den Wählerinnen und Wählern keine hohe Priorität genießen. Daher dürften Regierungen versuchen, die Erhöhung der Verteidigungsausgaben durch gezielte Investitionen in nationale Vorzeigeunternehmen („nationale Champions“) zu rechtfertigen. Unternehmen aus Ländern mit besonders hohen Verteidigungsausgaben – etwa Deutschland – dürften daher überproportional profitieren.
Bevorzugt werden zudem Güter, die einen klaren Nutzen für die nationale Verteidigung bieten (z. B. Drohnen- und Raketenabwehrsysteme) sowie Technologien mit Mehrwert in anderen Bereichen, wie etwa Cyberfähigkeiten und militärische Infrastruktur.
Nico Fitzroy, Partner und Senior Analyst bei Signum Global Advisors
Signum Global bietet erstklassige Research-Dienstleistungen und maßgeschneiderte Beratung für eine exklusive Gruppe von Institutionen und unterstützt seine Kunden dabei, sich in einer Welt zunehmender makroökonomischer und geopolitischer Unsicherheiten zurechtzufinden.
Mehr als zwei Drittel des gesamten Marktanteils europäischer Rüstungsunternehmen entfallen auf die größten westeuropäischen Märkte
Größte Rüstungshersteller in WesteuropaDie europäische Verteidigungsindustrie ist nach wie vor deutlich kleiner als die der USA, auch da sich die USA seit Jahrzehnten als größte Militärmacht der Welt positioniert haben. In den vergangenen zehn Jahren lag der Anteil europäischer Rüstungshersteller am weltweiten Umsatz zwischen 9 % und 12 %6. Mit steigenden Verteidigungsbudgets und gezielten Investitionen in ganz Europa wird jedoch erwartet, dass dieser Anteil zunimmt. Mehr als zwei Drittel des gesamten Marktanteils europäischer Rüstungsunternehmen entfallen auf die größten westeuropäischen Märkte – darunter das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland7. |
Skalierung und spürbare Nachfrageeffekte brauchen Zeit
Obwohl die Aufrüstung Europas für viele nationale Regierungen und die Europäische Kommission oberste Priorität hat, werden die konkreten Auswirkungen – ebenso wie der daraus resultierende Bedarf an Lager- und Produktionsflächen – erst mit Verzögerung sichtbar.
Der schnellste Weg zur Erhöhung der Produktionsleistung ist der Ausbau bestehender Fertigungsstätten. Gleichzeitig gewinnt die Umnutzung stillgelegter Fabriken, z. B. für die Automobil- oder Schienenfahrzeugindustrie, zunehmend an Dynamik – ein Trend, der sich im gesamten Verteidigungssektor durchsetzt. Diese Maßnahmen dürften mittelfristig (2 bis 5 Jahre) zur Produktionskapazität beitragen und bieten mehrere Vorteile: die Nutzung bestehender Infrastruktur und Logistiknetzwerke sowie den Zugriff auf eine hochqualifizierte und erfahrene Belegschaft.
In 2025 hat diese Initiative sichtbar an Fahrt aufgenommen, wie folgende öffentlich bekanntgegebene Beispiele zeigen:
Viele dieser Zulieferer befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Hauptproduzenten, um eine effiziente und sichere Lieferkette zu gewährleisten.
Rüstungsunternehmen sind derzeit in bestimmten Clustern konzentriert. Die Herstellung von Verteidigungsgütern ist äußerst komplex und erfordert eine Vielzahl spezialisierter Zulieferer. Viele dieser Zulieferer befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Hauptproduzenten, um eine effiziente und sichere Lieferkette zu gewährleisten. Die schnellen Verschiebungen der globalen Spannungen und geopolitischer Strategien werden die Lieferketten in der Rüstungsindustrie zunehmend proaktiv verändern – unter anderem durch den Aufbau größerer Lagerbestände.
Wie der Präsident von BAE Systems Hägglunds sagte:
„Just in time ist tot.“13 Zu den wichtigsten Strategien zur Risikominimierung in der Lieferkette und zur Beschleunigung der Produktion zählen eine stärkere Standardisierung der Endprodukte sowie eine vermehrte Zusammenarbeit mit lokalen Partnern. Diese Maßnahmen sollen die Abhängigkeit von internationalen Komponenten reduzieren und die Resilienz der Branche erhöhen.
Die verteidigungsbezogene Nachfrage wird jedoch voraussichtlich nicht ausschließlich in diesen traditionellen Logistikzentren konzentriert sein.
Je geringer die Sicherheitsanforderungen, der Spezialisierungsgrad und der spezifische Verwendungszweck, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Geschäftsabschlüsse zu erzielen.
Investitionen in Verteidigungsfähigkeiten können einen tiefgreifenden Wandel im europäischen Fertigungssektor bewirken – doch die Chancen für Investoren und Entwickler im Bereich Industrie- und Logistikimmobilien (I&L) sind unter der Oberfläche differenzierter.
Grundsätzlich gilt: Je geringer die Sicherheitsanforderungen, der Spezialisierungsgrad und der spezifische Verwendungszweck, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Geschäftsabschlüsse zu erzielen. Zudem gilt: Je weiter ein Zulieferer vom Endnutzer entfernt ist (z. B. Tier-II- oder Tier-III-Lieferanten), desto größer ist das potenzielle Marktpotenzial.
Insight: Reflexion über die Entwicklungen im Daily BusinessDie europaweit sitzenden GARBE-Businesseinheiten mit Kundenkontakt wurden nach ihren Einschätzungen und Beobachtungen aus Gesprächen mit (potenziellen) Nutzern aus dem Verteidigungsbereich befragt, mit besonderem Fokus auf die Anforderungen an die Immobilien.
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