5 Fragen an unseren Experten. Interview: Why invest in Italy?
Marco Grassidonio
Country Head GARBE Industrial Real Estate Italy
5 Fragen an unseren Experten
Der italienische Logistikimmobilienmarkt zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich, basierend auf der Kombination aus knappem Angebot, attraktiven Einstiegspreisen und stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Nachfrage wird sowohl von Investoren mit Fokus auf nachhaltige Entwicklungen als auch von Nutzern aus wachstumsstarken Branchen wie E-Commerce, Lebensmittel und Mode getragen. Künftig rücken vor allem ESG-konforme Brownfield-Projekte und neue logistische Wachstumsregionen außerhalb der etablierten Märkte in den Fokus. In diesem Experteninterview übernimmt Marco Grassidonio, Country Head Italy, Stellung und teilt seine Einschätzungen zur Entwicklung in seinem Heimatmarkt.
Frage: Welche Gründe sprechen aus Anlegersicht für Investments am italienischen Logistikimmobilienmarkt?
Der italienische Markt für Logistikimmobilien zeichnet sich durch bestimmte Merkmale aus, die ihn besonders attraktiv für Investoren machen. Zunächst einmal übersteigt der Bedarf an Logistikflächen das aktuell verfügbare Angebot, wobei die Quadratmeterzahl an Logistikfläche pro Kopf weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt – siehe auch WHY INVEST IN ITALY, Abbildung 4 – und der Bestand an erstklassigen Flächen sehr begrenzt ist. Aus den im europäischen Vergleich historisch niedrigen Mieten ergeben sich für Italien geringere Kapitalwerte pro Quadratmeter als in anderen europäischen Märkten. Sie liegen im Schnitt unter 1.000 EUR/m² und ermöglichen Investoren nicht nur einen günstigen Einstieg, sondern auch Kapitalschutz beim Exit, da das Abwärtsrisiko bei einer späteren Veräußerung begrenzter ist.
Ferner weist der italienische Logistikmarkt traditionell eine geringe Volatilität in Bezug auf die Nettorendite auf, was dank der stetigen Mietentwicklung langfristig für positive Ergebnisse sorgt, siehe WHY INVEST IN ITALY, Abbildung 6. Die Leerstandsquote ist, wie schon angedeutet, im europäischen Vergleich immer noch niedrig – in einigen Märkten liegt sie sogar nahe Null und damit eindeutig im Bereich des Sockelleerstands.
Italien zeigt sich aktuell als wirtschaftlich vergleichsweise widerstandsfähig, insbesondere in Nordostitalien, wo das Wachstum über dem EU-Durchschnitt liegt und die Arbeitslosenquote im März 2025 deutlich unter dem nationalen Durchschnitt von 6,0 Prozent1 blieb. Diese wirtschaftliche Stabilität im Verbund mit einer Marktlage, die von den politischen Entwicklungen kaum beeinträchtigt wird, ist ein attraktiver Faktor für Investoren.
Frage: Welche Nachfragefaktoren bestimmen derzeit den italienischen Markt?
In Italien konzentriert sich die Nachfrage auf Anlegerseite aktuell vor allem auf Core-Plus und Value-Add-Transaktionen. Hierbei geht es Investoren darum, durch die Bereitstellung erstklassiger Logistikobjekte Werte zu schaffen, und zwar entweder durch die (ESG-orientierte) Umwandlung von Bestandsbauten oder durch Neuentwicklungen. Core-Investoren sondieren mittlerweile behutsam den Markt, ohne dass es bislang zu größeren Direktkäufen gekommen wäre, denn vermutlich hofft man noch auf eine weitere Zinssenkung und damit auf ein Nachgeben der Renditen für Staatsanleihen. Wir beobachten ein zunehmendes Interesse daran, Immobilienportfolios gezielt aufzuwerten – etwa durch Investitionen in den Bestand, die Optimierung von Mietverträgen sowie die Aktivierung von Baulandreserven. Gleichzeitig bereiten sich viele Akteure auf einen Rückgang der Anfangsrenditen in den kommenden Jahren vor und richten ihre Strategien auf eine Maximierung des Exit-Werts aus.
Der Markt auf der Mieterseite entfällt zu gleichen Teilen auf Logistiker, deren Kunden in den Bereichen E-Commerce und Großhandel (GDO) agieren, und Industrieunternehmen, die Lagerflächen für ihren E-Commerce-Handel oder für ihre Vertriebsnetze benötigen. Italiens Logistikmarkt wird von Segmenten wie Bekleidung, Lebensmittel, Pharmazeutika und Industriebauteilen dominiert, die enormen Bedarf an modernen Logistikflächen in guten Lagen haben. Führende Nachfragetreiber für hochwertige Logistikimmobilien sind vor allem die Bekleidungs- und Lebensmittelbranchen.
Kurz gesagt, die Nachfrage wird sowohl vom Transformations- und Entwicklungsbedarf der Investoren als auch vom Bedarf an Logistikflächen der Marktteilnehmer im E-Commerce, im Großhandel und in strategischen Branchen generiert.
Frage: Welche Entwicklungen werden auf dem italienischen Logistikimmobilienmarkt künftig eine besondere Rolle spielen?
In Zukunft wird sich die Entwicklung von Logistikimmobilien in Italien zunehmend auf die Sanierung von Altstandorten konzentrieren und dadurch nachhaltiges Wachstum im Sinne der ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen ermöglichen.
Wir erleben einen bedeutenden Wandel im Logistikimmobiliensektor in Italien. Jüngste rechtliche Regelungen in den Regionen beschränken den Flächenverbrauch und machen Entwicklungen auf der grünen Wiese immer schwieriger. Infolgedessen gewinnt die Umwandlung von Industriebrachen – also ungenutzten oder stillgelegten Industrieflächen mit Sanierungsbedarf – zunehmend an Bedeutung. In solchen Fällen wertet die Flächensanierung nicht nur den Grund und Boden auf, sondern erfüllt auch Umwelt- und Sozialanforderungen.
Die Brachflächensanierung stellt in Italien somit eine sehr wichtige Ressource für künftige Logistik-Investments dar. Auch wenn derartige Projekte im Vergleich zu Neuentwicklungen Zusatzkosten für Abriss, Rückbau und städtische Erneuerungsmaßnahmen mit sich bringen, werden diese Nachteile durch erhebliche Vorteile vor allem im ESG-Bereich aufgewogen. Sie verringern nicht nur die Umweltbelastung, sie wirken sich auch positiv auf das soziale Umfeld aus, schaffen innerörtliche Arbeitsplätze, verbessern die Infrastruktur, sorgen ggf. auch für neue Dienstleistungsangebote und wertvolle Gemeinschaftsflächen gerade in strukturschwachen, belasteten Gegenden.
Auch GARBE Industrial Real Estate Italy folgt diesem Trend, indem es sich auf Brownfield-Entwicklungen konzentriert, um innovative und nachhaltige Logistikprojekte zu verfolgen, die den hohen Umwelt- und Sozialstandards des heutigen Marktes entsprechen. Unser Schwerpunkt bei Brownfield-Entwicklungen folgt dem Ansatz der sogenannten ‚Sustainonomics‘, einem vom Geschäftsführenden Gesellschafter Christopher Garbe eingeführten Konzept, das nicht nur für Nachhaltigkeit, sondern auch für wirtschaftlichen Mehrwert zugunsten der Investoren und der örtlichen Kommunen sorgt.
Frage: Wie schätzen Sie das potenzielle Mietwachstum in Italien in den kommenden Jahren ein?
Im Vergleich zur Ausgangslage vor der Pandemie, als die Quadratmetermieten bei 3,00 – 4,00 € pro Monat lagen, haben sich die Mieten in den letzten Jahren stark entwickelt, und zwar schneller als die Inflation. Nach unseren Beobachtungen bewegen sich Mietzuwächse aktuell im üblichen Rahmen. Italien hat sich mit einem jährlichen Inflationsziel von 2 Prozent an den europäischen Benchmarks ausgerichtet. Dieses Ziel erreichen wir auch im April 20252. In den kommenden Jahren rechnen wir mit Mietzuwächsen, die wenige Prozentpunkte über der Inflation liegen dürften und somit die Stabilität und das nachhaltige Wachstum des Marktes abbilden.
Frage: Welche Regionen Italiens werden künftig als Logistikstandorte Bedeutung gewinnen, und inwiefern unterscheiden sie sich von etablierten Märkten wie etwa Mailand?
Es gibt mehrere aufstrebende Regionen, die bereits jetzt eine wichtige Rolle spielen, so beispielsweise das Umland der Hafenstadt Genua, welches sich von Serravale bis Casei Gerola erstreckt. Diese Region bietet attraktive Gelegenheiten für die Lagerhaltung und europaweite Distribution. Auch dem Korridor von Verona zum Brenner kommt bereits eine hohe und stetig steigende Bedeutung zu. Ferner wird sich die Region zwischen Rom und Neapel in den kommenden Jahren weiter entwickeln.
Abgesehen von Mailand rechnen wir allgemein mit Zuwächsen in Süditalien und entlang der Adriaküste. Diese Regionen bieten spezielle logistische Vorteile und geraten zunehmend ins Visier von Investoren und Branchenakteuren auf der Suche nach Alternativen zu den etablierten Märkten.